Okinawa-Besuch 2017

Okinawa – Geburtsort des Karatedô und Kobudô – subtropische Urlaubsinsel mit japanischem und chinesischem Flair sowie einem Hauch Hawaii. Was sie einem auch immer davon mehr bedeutet, diese kleine Insel ist es in jedem Falle Wert, bereist zu werden. Unter Leitung von Frank Pelny, dem technischen Direktor des Ryûkyû Kobudô Tesshinkan Kyô Kai in Deutschland und Europa, reiste im April 2017 eine Gruppe mit Teilnehmern aus Deutschland nach Okinawa, um direkt an der Quelle lernen zu können. Unser Lehrer, Tamayose Hidemi, 10. Dan und Hanshi, ist der Präsident seines Verbandes „Ryûkyû Kobudô Tesshinkan Kyô Kai“, der Vizepräsident des „Okinawa Ken Kobudô Renmei“ und Mitglied im „Okinawa Ken Karatedô Renmei“. Damit zählt er zu den höchstgraduiertesten und bekanntesten Meistern auf Okinawa.

Die Gruppe bestand aus Mitgliedern mehrerer Dôjô: Aus Nordhausen reisten Dôjôleiter Frank Pelny und seine Frau Doris sowie Petra Hauschild mit. Aus Jena kamen die ehemaligen Nordhäuser Hagen Walter (Leiter des Kobudô im Seishinkai Jena) und Gesine Hauschild sowie David Hornig mit. Ramona Risch, Leiterin des Kobudôverein Ilmenau, und Martin Mähler, der nun in Köln und Ennepetal trainiert, rundeten die Thüringer Delegation ab. Aus dem angrenzenden Sachsen und Sachsen-Anhalt schlossen sich Sebastian Edelmann (Leipzig) sowie Tony Kräker (Halle) und Hjördis Jüttner an.

Für einige, wie Ramona, Petra, Gesine, Hjördis, David und Martin, war es die erste Reise. Für andere, wie Sebastian und Frank, war es die zehnte. Aber es ist egal, ob man zum ersten oder fünften Male nach Okinawa reist. Zwar ändert sich der Blickwinkel auf die Insel im Laufe der Zeit, aber es gibt immer neue Dinge zu entdecken und neue Dinge, die man an der Insel wertschätzt: Ein besonderer Charakterzug der Einwohner ist zum Beispiel deren Freundlichkeit und schier grenzenlose Hilfsbereitschaft, die wir immer wieder erleben konnten.

Die Gruppe reiste in zwei Schüben nach Naha, der Hauptstadt Okinawas. Die Sachsen-Anhaltiner und Sachsen kamen bereits am 9. April an. Die Thüringer flogen am Morgen des 10. April los und wurden am Dienstag, den 11. April, am Flughafen von Tamayose Hidemi Sensei und seinem Sohn Tetsushi sowie von den Hallenser aufgesammelt und ins Hotel gebracht. Das Hotel lag mitten im Stadtteil Azato und die Kokusai-Dori, die bekannte Einkaufs- und Amüsiermeile, war nur wenige Minuten Fußweg entfernt.

Der Rest des Anreisetages stand zur freien Verfügung. Einige entspannten sich und tasteten sich langsam an das einheimische Essen heran. Eine besondere Delikatesse der Insel ist Goya, die in der einheimischen Pop-Kultur ein identitätsstiftendes und nahezu allgegenwärtiges Symbol ist – neben dem Shisa (mythischer Löwenhund) und Karatedô. Goya bedingt angeblich die Langlebigkeit der Bewohner und hat in jedem Falle einen anhaltenden, bitteren Geschmack im Mund. Daneben bietet die Küche der Insel aber auch krapfenartige Gebäcke, Fischgerichte wie Sushi, Sashimi und Okinawa-Soba an. Soba ist eine kräftige Nudelsuppe mit dreilagigem Schweinefleisch und Fischkuchen, und das beste, was man nach einem harten Training zu sich nehmen kann.

Der jüngere Teil der Gruppe begann sofort, die Insel zu erkunden. Auf den Erkundungszügen fand man schnell das Kneipendorf, wo man beim Schein von Laternen und Lampions okinawaische Spezialitäten wie Jasmintee und Awamori genießen konnte. Dieser kleine Komplex in einer Seitenstraße der Kokusai-Dori bot auch reichlich Gelegenheit, um die eigenen Japanischkenntnisse zu testen. Ein anderes, sehr sehenswertes Lokal, ist die Dôjô-Bar – eine Kneipe, die als Treffpunkt internationaler Kampfkünstler konzipiert wurde und nicht enttäuscht.

Am nächsten Tag nahmen Tamayose Sensei und sein Sohn Tetsushi diejenigen, die zum ersten Mal auf Okinawa weilten, im Auto mit, um einige der weiter entfernt liegenden Sehenswürdigkeiten wie die Klippen Manzamo oder das Churaumi-Aquarium zu besichtigen. Frank, Sebastian und Hagen unternahmen derweil bereits die ersten Einkäufe, u.a. bei Shureido und bei einem Stempelschneider.

Tags darauf begann das erste von vielen Trainings. Tamayose Sensei lud uns in den erst am 4. März eröffneten Karate KaiKan ein, einem Zentrum für traditionelles Karate. Dort trafen wir auch unseren kanadischen Freund Dan Antonsen wieder. Erwartungsgemäß war das erste Training durch ein umfassendes Kihon-Programm geprägt. Nach vier Stunden Training und mehr als vier Litern Wasser pro Kopf war ersteinmal Schluss. Dem Karate KaiKan ist ein Karate-Museum angeschlossen, in dem, ähnlich wie in den Museen von Nakamoto Masahiro und Hokama Tetsuhiro, viele alte Waffen, Gi und Fotos ausgestellt wurden. Zur großen Freude der Gruppe gab es auch einige Aktivangebote, wo diverse Trainingsgeräte wie Eisenschuhe (Tetsu-Geta) oder schwere Vasen (Nigiri Game) ausprobiert werden konnten. Während des Trainings im KaiKan trafen wir auch den dänischen Karate- und Kobudô-Lehrer Lars Andersen (Joshinkan Isshin-Ryû und Tokushin-Ryû Kobudô) mit seinen Schülern, zu dem durch Hagen bereits Verbindungen bestanden haben. Den Abschluss des Tages bildeten ein Besuch im Fukushu-En, einem Prunkgarten nach chinesischem Vorbild, der auch nach dem dritten oder vierten Besuch zu bezaubern weiß, und im benachbarten Matsuyama-Park.

Am nächsten Tag holte uns ein gutgelaunter Sensei ab: Strandtraining stand auf dem Programm. Nach dem obligatorischen Kihon in der ersten Stunde wurde es ein wenig entspannter. Êku stand unter anderem auf dem Plan. Neben dem Üben der Kata trainierten wir auch die Spezialtechnik des Paddels: Sandwerfen auf ein Ziel. Masako-san, die Ehefrau des Sensei, versorgte uns derweil mit Wasser, leckeren Sandwiches und Onigiri (gefüllte Reisbällchen). Sichtlich erschöpft und gerötet beendeten wir nach mehr als 4 Stunden das Training. Daraufhin brachte uns Sensei zum Sefa-Utaki, einem heiligen Wald, der in der Geschichte Okinawas eine bedeutende, zeremonielle Rolle spielte. Im Anschluss besuchten wir das Ryûkyû-Village, einen Expopark, welcher über einer Tropfsteinhöhle aus Kalkstein gebaut wurde. Die Höhle mit ihren Bassins voll klaren Wassers mit Worten zu beschreiben ist schwer und würde der Schönheit der Höhle wohl auch nicht gerecht werden. Auf dem Parkgelände konnten wir auch einem Eisa, einem traditionellem Tanz mit Trommeln, beiwohnen, und eine Habu-Sake-Brauerei besichtigen.

Die nächsten drei Tage haben wir im Budôkan mit Training verbracht. Nach jeder Trainingseinheit belohnte uns Frank mit einer kleinen Sightseeingtour. So besuchten wir die Burg von Shuri, das Tama-U-Dun-Mausoleum, die Bunkeranlage des Kaigungo und den Shikina-En, einen prachtvollen Park rund um die ehemalige königliche Sommerresidenz.

Am Montag, zum Ende des dritten Trainings im Budôkan, fanden noch zwei Prüfungen im Ryûkyû Kobudô statt. Martin Mähler stellte sich dem 1. Dan und Hagen Walter dem 4. Dan. Mit Bô, Sai, Tinbê und Nunchaku konnten die beiden die fünfköpfige, internationale Prüfergruppe überzeugen. Überraschend wurde Frank Pelny durch Tamayose Kaichô zum Leiter der Prüfungen ernannt.

Das letzte Training im Budôkan war aber noch lange nicht das letzte Training – am folgenden Dienstag fuhren wir noch einmal in den Karate KaiKan zum letzten offiziellen Training, wo wir eine Gruppe deutscher Matayoshi-Ryû-Kobudôka unter Führung von Jhonny Bernaschewice trafen. Tamayose Sensei hatte sich für diesen Tag eine besondere Überraschung einfallen lassen. Gemeinsam mit ihm und seinem Sohn Tetsushi fuhren wir zu den Inseln Ikei und Hamahiga, nach deren Vogt einige Waffenkata benannt sind. Trotz regnerischen Wetters vermochten die Inseln uns mit ihrem klaren Wasser und satten, grünen Wäldern zu verzaubern. Den Abschluss dieser Tour bildete ein Besuch der Ruinen der Burg von Katsuren.

Der Mittwoch stand dann allen zur freien Verfügung: Ausruhen, Einkaufsbummel oder eben noch ein Training. Die Jenaer Truppe besuchte Tamayose Sensei noch einmal für ein reines Karate-Training. Über 500 Fauststöße und weit über 200 Fußtritte bildeten die Erwärmung, die Sensei anleitete und ohne auch nur im geringsten zu schwitzen mit uns absolvierte. Nach einer kurzen und definitiv notwendigen Pause begann das Kata-Training mit Sensei. Darüber hinaus vermittelte er uns einige interessante Details, wie man Blöcke sofort in Hebeltechniken fortführt, und gab uns auch sonst tiefere Einblicke in den Bunkai der Kata.
Am Abend des letzten Tages fanden wir uns alle nocheinmal bei Tamayose Sensei zur Sayonara-Party ein. Sensei fragte diejenigen, die das erste Mal auf der Insel waren, was ihnen denn am meisten gefallen habe. Neben den kulinarischen Köstlichkeiten war es vor allem die Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und Gelassenheit der Einwohner Okinawas, die faszinierte. Tamayose Sensei und seine Familie haben zu diesem Eindruck nicht unwesentlich beigetragen. Wir möchten uns bei Tamayose Sensei, seinem Sohn Tetsushi und seiner Frau Masako von ganzem Herzen für die Gastfreundschaft und das Training bedanken. Tesshinkan is one big family, wie Sensei sagt. Das haben wir fühlen können. Danke.

Unser Dank gilt nicht minder Frank Pelny, der die Reise und all das Drumherum organisiert hat. Vielen Dank.