Tesshinkan Europe-Gasshuku 2018

Tag 1 – Donnerstag, 5.7.2018

Hochsommerliche Temperaturen läuteten das 8. Sommertrainingslager des Ryûkyû Kobudô Tesshinkan Kyô Kai Europe ein, welches wieder der Karate-Do-Kwai Nordhausen e.V. unter Frank Pelny ausrichtete. Für vier Tage traf sich die europäische Tesshinkan-Gemeinde, vertreten durch die deutschen und russischen Teilnehmer, um tagsüber gemeinsam zu trainieren und zu schwitzen, und sich abends beim gemütlichen Grillen und Beisammensitzen auszutauschen.

Traditionell eröffnete die erste Einheit, angeleitet durch Frank Pelny Sensei, das Trainingslager mit dem Bô-no-Kihon – eine gute Gelegenheit für Wiederholung für alte Hasen als auch viel Neuland für diejenigen, die aus Neugierde dazu gestoßen waren. Auch in der zweiten Einheit drehte sich alles um Bô: drei Kata wurden abgehandelt: Shûshi-no-Kun (Shô), Sakugawa-no-Kun (Shô) und Shûshi-no-Kun (Dai). Trainer Frank Pelny setzte dabei bei allen Kata Schwerpunkte, die die Teilnehmenden verstärkt üben sollten, wie die Hockposition in der Sakugawa-no-Kun (Shô). Zusätzlich gab er Tipps, wie man sich verbessern konnte und was man an diesen Stellen besonders beachten sollte.

Die letzte Einheit an diesem Nachmittag war den Partnerübungen mit Bô gewidmet. Trainer Pierre Lorenz aus Leipzig stellte alternative und erweiterte Anwendungen für das Bô-Kihon-Kumite vor. Hier sollte es also vor allem um die grundlegenden Ideen gehen, die im Kihon-Kumite vermittelt werden und wie diese abseits der bekannten Pfade angewendet werden können. So demonstrierte Pierre Sensei am Ende seiner Ausführungen sogar ein Kumite mit einem Stuhl statt mit einem Stock, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen. Mit dieser letzten Trainingseinheit war der Tag jedoch noch nicht abgeschlossen, denn am Abend trafen sich alle wiederum, um in der Trainingshalle des Karate-Do-Kwai Nordhausen den Tag beim gemeinsamen Grillen ausklingen zu lassen, was viel Gelegenheit für Austausch in einer familiären Atmosphäre bot.

Tag 2 – Freitag, 6.7.2018

Der zweite Tag des Gasshuku begann mit Trainingseinheiten im Karate. Shôtôkan-Karate mit dem Schwerpunkt Bassai-Dai wurde von Frank Pelny Sensei unterrichtet. Parallel unterrichtete Hagen Walter Sensei Shôrin-Ryû Karate. Den Fokus legte er auf das Kyû-Programm. Dabei vermittelte Hagen Sensei anhand einiger Kombinationen aus den Naihanchi-Kata die Konzepte des Ganmaku, der Hüftarbeit und Methoden des Einsatzes beider Hände. Nachdem der Ablauf zunächst gemeinsam durchgegangen wurde, sollten die Kihon-Kombinationen nochmals in Kleingruppen geübt werden. Dies kam allen zugute, da so zum einen die Senpai weitere Erfahrungen mit anderen Schülern sammeln konnten und selber dazu lernen konnten, auf welche Details sie achten müssen. Zum anderen bedeutet eine kleinere Teilnehmergruppe, dass es einfacher ist, individuell auf die Personen einzugehen, sodass auch sie einen umfangreicheren Input bekamen. Im Anschluss daran gab Hagen einen Ausblick auf die weiteren Kombinationen des Kyû-Programms, um den Teilnehmenden eine Idee davon zu vermitteln, welche Kampfsituationen das Shôrin-Ryû noch abzudecken vermag.

Die zweite Einheit diente in der Dan-Gruppe der Vertiefung der Bô-Kata Yonegawa-no-Kun und Shirataru-no-Kun. Obwohl das Kihon intensiv immer beidseitig geübt wird, merkten die Teilnehmer bei Yonegawa doch recht schnell, dass sie eine Vorzugsseite haben. Auch bei Tekkô war Partnerarbeit gefragt. Zunächst griff Frank Pelny Sensei, wie am Vortag bei den Bô-Kata, einzelne Sequenzen heraus, um diese vertiefend zu erläutern. Danach war Eigenarbeit gefragt, indem wir die Idee einer Sequenz am Partner erproben sollten, um ein Gefühl für sie zu bekommen. Nicht zuletzt diente die Analyse einzelner Sequenzen als Vorbereitung auf das Tekkô-no-Kihon und die Kata Maezato-no-Tekkô, welche wir abschließend gelaufen sind. Während der Tekkô-Einheit übten die Schwarzgurte Tunfa. Unter Anleitung von Pierre Lorenz Sensei und Assistenz von Wolfram Reichmuth und Hagen Walter aus Jena übten die Dan-Träger verstärkt den Ablauf, die Mechanik und ein paar Anwendungen der Tunfa-Kata, je nach Kenntnisstand.

Im anschließenden Nunchaku-Training – natürlich nur mit Seil als Ersatzwaffe – konzentrierten wir uns unter der Anleitung von Hagen Walter Sensei auf Technikübergänge und Hüftarbeit. Anschaulich erklärte Hagen, was es mit Drehebenen und -achsen auf sich hat und wie wir sie für uns nutzen und wie wir sie ändern – ohne uns selbst dabei zu geißeln. Bei der Sai-Einheit, welche wiederum von Hagen Walter Sensei angeleitet wurde, arbeiteten wir vor allem an der Gesamtlockerheit der Techniken. Der Hauptfokus lag also darin, den Körper so zu ermüden, dass die Techniken nicht mehr verkrampft ausgeführt werden können. Damit wollte er uns ein Gefühl geben, wo es hingehen soll und wie eine Technik ökonomisch ausgeführt wird: kraftvoll und gleichzeitig mit einer lockeren Geschmeidigkeit. Um dies zu erreichen, sollten alle Teilnehmer der Einheit zehn Tsuki mit Sai in der Hand durchzählen. Doch Hagen schenkte uns die Tsuki nicht leichtfertig, denn zwischendurch unterbrach er die Übung durch Erläuterungen und Hinweise, wie die Techniken mehr aus der Hüfte denn aus dem Arm ausgeführt werden können, und ließ wiederum von Anfang an zählen, sodass zum Schluss gute 400 Tsuki zusammenkamen, was die Arme und Schultern mit einem ziehenden Brennen quittierten. Verkrampfte Techniken waren nun wirklich nicht mehr möglich. Auch an dieser Stelle war die Einheit durch ausführliche Erklärungen geprägt, die begründeten, warum die Techniken unbedingt locker ausgeführt werden sollten: Lockerheit bedeutet, den Antagonisten der aktiven Muskeln auszuschalten.

Die letzte Einheit dieses Tages war dem Bô-Shiai, also dem Freikampf mit Bô, gewidmet unter Leitung von Pavel Dolgachev Sensei aus Kaliningrad. Mit dem Partner tasteten wir uns langsam heran, indem wir uns zuerst der Fußarbeit widmeten und anschließend den ersten Angriff am Partner umsetzen konnten. Dieser blockte zunächst nur Jôdan und der Angreifer hatte die Aufgabe, sich mit zwei Schlägen an die Distanz des Partners heranzuarbeiten, die wie in vielen anderen Einheiten ein wichtiges Thema darstellte. In verschiedenen Übungen und abwechselnden Rollen sollten die Trainierenden daneben ein Gefühl dafür bekommen, wie sie jeweils als Angreifer und Verteidiger auf bestimmte Situationen schnell reagieren konnten.
Nachdem hiermit ein langer Tag zu Ende gegangen war, hatten wir am Abend zur Summit-Party die Gelegenheit zur Stärkung am Grill; in Begleitung von Musik, den Fotos des Tages, stimmungsvollen Abendfarben und Geselligkeit ein schöner Abschluss nach all den Anstrengungen.

Tag 3 – Sonnabend, 7.7.2018

Auch der Samstag begann mit Karate-Trainingseinheiten, wieder parallel Shôtôkan-Karate und Shôrin-Ryu. Im Shôtôkan unter Anleitung von Frank Pelny Sensei wurden 5 Varianten der Abwehr von Fauststößen zum Kopf thematisiert. Im Shôrin-Ryû unter Hagen Walter Sensei wurde das Training von Kihon fortgesetzt. Diesmal standen einige Sequenzen aus Kusanku-Shô und Passai-Shô auf dem Programm. Obschon das Kihon aus realen Kata-Sequenzen entnommen ist, haben die anschließenden Bunkai sicherlich dabei unterstützen können, die Ideen dahinter weniger abstrakt erscheinen zu lassen: wir haben aus simplen Kata-Sequenzen Nahkampf und Take-Downs ohne Abwandlungen ableiten können.

Die Bô-Einheit, geleitet von Sebastian Edelmann Sensei aus Leipzig, widmete sich der Nr. 7 des Bô-no-Kihon, und hier insbesondere der Fußarbeit. Schwerpunkt lag vor allem darauf, wie sich die Übergänge zwischen den Wendungen in den Zenkutsu-Dachi gestalten, der vor allem durch Druck aus dem hinteren Fuß erfolgen soll. Um das Ziel zu unterstützen, haben wir im Laufe der Einheit mehrere Sequenzen zu einer Art Taikyoku-Shodan zusammengesetzt. Dies sollte nicht zuletzt dazu dienen, einen neuen Trainingsreiz für die Nr. 7 zu setzen, außerdem kann es auch als Vorbereitung für die unterschiedlichen Stellungen dienen, mit welcher die Nr. 7 in diversen Kata ausgeführt wird.

Die Bô-tai-Sai-Einheit widmete sich verschiedenen Aspekten und Zielgruppen. Zum einen wurden diejenigen, die noch keine Erfahrung mit Bô-tai-Sai hatten, von Wolfram Reichmuth an die einzelnen Kumite herangeführt. Zum anderen sollten jene, welche bereits Erfahrungen im Umgang im Bô-Tai-Sai hatten, sich auf die Angriffe konzentrieren. Der Schwerpunkt lag verstärkt darauf, den Bô genauso wie im Kihon benutzen zu können und natürlich die passenden Distanzen zu wahren. Um Distanz im Kumite ging es auch in der letzten Einheit, dem Bô-tai-Bô bei Sebastian Edelmann Sensei. In Vorbereitung auf das Bô-Shiai sollten in den Bô-no-Kihon-Bunkai Nr. 3 und Nr. 5 grundlegende Dinge vermittelt werden, wie Distanzgefühl und Reaktion auf die Angriffe des Partners. Durch geschickte Auswahl an Übungen gelang es, den Trainierenden zu vermitteln, ob sie eine Kombination bloß auswendig gelernt hatten oder ob sie adäquat auf die Angriffe selber reagierten. Die freie Wahl eines zusätzlichen Angriffes nach Abschluss der eigentlichen Bunkai baute das Spiel mit der Reaktion weiter aus und schulte die Reaktionsfähigkeit.

Der letzte Abschnitt des Samstags war ganz dem 13. Europa-Cup gewidmet. Insgesamt 22 Teilnehmer traten in den Disziplinen Kata (Kyû / Dan), Yakusoku-Kumite Mix und Bô-Shiai gegeneinander an. Wettkampfrichter waren Evgenii Kiselev (Woronesch / Russland), Sebastian Edelmann (Leipzig / Deutschland) und Wolfram Reichmuth (Jena / Deutschland). Insgesamt wurde eine große Vielfalt an Kata gezeigt, zugleich offenbarte sich jedoch die Shirataru-no-Kun als Lieblings-Kata vieler. Für einige diente der Wettkampf auch als Probelauf für die WM auf Okinawa Anfang August. So bestach beispielsweise Stefan Brandenburger durch eine extrem kraftvolle Tekkô-Kata bei den Kyû-Graden und Pavel Dolgachev durch eine lebendige Tunfa-Kata, bei der durch seine sichere Waffenführung die Tunfa flogen, als ob sie nichts gewogen hätten. Besonders bei den Dan-Trägern fiel auf, dass viele an einem Punkt angelangt waren, wo sie nicht ihre nächsten Prüfungs-Kata zeigten, sondern ihre Lieblings-Kata. Das schlug sich allgemein in lebendigeren Kata nieder und war für die Zuschauer ebenso ein Genuss wie für die Starter. Das Yakusoku-Kumite in der ersten Runde war geprägt durch viele kreative Kombinationen der Kihon-Techniken für Bô, unter welcher die Darbietung der Leipziger Gruppe, bestehend aus Markus Lauenstein und Pierre Lorenz, sicherlich hervorstach. Dennoch konnten sich ihre Gegner, die Jenaer Gruppe bestehend aus Hagen Walter und David Hornig, gegen sie durchsetzen, welche letztlich den 1. Platz für sich behaupten konnten. Den Abschluss des Turniers bildete der Freikampf mit Bô, in dem 6 Teilnehmer gegeneinander antraten und aus welchem Pavel Dolgachev souverän mit dem 1. Platz hervorging. Ein letztes Mal trafen sich die Tesshinkaner im Dôjô der Nordhäuser Karateka, um sich über die Ereignisse und Erkenntnisse aus dem Laufe des Tages auszutauschen, die Fotos des Tages anzuschauen und auch, um bereits die ersten Teilnehmenden zu verabschieden, welche am Sonntag den Heimweg antreten würden.

Tag 4 – Sonntag, 8.7.2018

Schnell waren die Tage des Lehrganges vergangen, doch für einige blieb es bis zuletzt spannend, da sie sich am Vormittag einer Prüfung stellen wollten, derweil parallel die letzten drei Einheiten in der großen Halle abgehalten wurden. Auf beiden Seiten hieß es also, nochmal die Zähne zusammen zu beißen und Ehrgeiz zu zeigen. Die Shôrin-Ryû-Einheit widmete sich diesmal unterschiedlichen Kata, deren Ablauf den Teilnehmenden, je nach Stand, in kleinen Gruppen vermittelt werden sollte. In kleinen Schritten und mit vielen Wiederholungen näherten wir uns diesem Ziel. Den Höhepunkt bildete dabei sicherlich die Kusanku-Shô. Nach einiger Zeit waren auch die beiden Dan-Prüflinge erfolgreich zurück, sodass wir Peter Lamparter aus Jena zu seinem 1. Dan im Kobudô sowie Evgenii Kiselev aus Woronesch zum 2. Dan im Kobudô herzlich gratulieren konnten. Das war ein verdienter Abschluss für beide nach all den Mühen und Anstrengungen der letzten Tage und ein feierlich Auftakt für den wohlverdienten Sommerurlaub.

In der vorletzten Einheit unterrichteten Hagen und Pierre Sensei parallel Sai-Kata und Bô-tai-Sai-Kumite. Die Teilnehmenden konnten diese nach kurzer Anweisung von Pierre Lorenz selbstständig üben, derweil er herumging und den Grüppchen individuelle Verbesserungstipps mit auf den Weg gab: Distanz zum Verteidiger, die Sprünge in den Nummern vier, fünf und neun, darauf achten, immer die Sai an die Elle angelegt zu lassen und einiges mehr. Wo nicht immer Pierre der Lehrmeister war, war es entweder der Schmerz, wenn die Sai mal doch nicht richtig am Arm auflagen oder die vielen Wiederholungen. Hagen kümmerte sich indes um technische Details in den höheren Sai-Kata und demonstrierte einige Anwendungen gegen Bô und Schwert und zeigte, dass mit dem Sai nicht nur geschlagen und gestochen, sondern auch gehebelt und transportiert werden kann.

Nach der letzten Einheit Bô-Shiai bei Pavel Dolgachev wurden auch die Kyû-Prüflinge mit ihrer Urkunde für ihre bestandenen Prüfungen geehrt. Kurz darauf hieß es dann also – neben dem Aufräumen – auch Abschied nehmen, entweder bis zum nächsten Lehrgang oder bis zum nächsten Gasshuku. In langjähriger Tradition zählten dann alle gemeinsam zehn Tsuki in Begleitung kraftvoller Kiai, um gemeinsam das Gasshuku zu beschließen. Anschließend durften wir unsere Teilnahmeurkunden entgegennehmen.

Wir danken Frank Pelny Sensei für die Organisation des Gasshuku sowie all den fleißigen Nordhäusern, die sich um das Drumherum des Gasshuku gekümmert haben. Genauso danken wir auch dem Trainerteam, das uns alle ein großes Stück weitergebracht hat.

Arigatoo gozaimashita.

Ergebnisse Europe Cup 2018